Maritim, würdig und ehrwürdig: die Nikolauskapelle der Marineschule Mürwik

Wegweiser zur Nikolauskapelle in der Marineschule Mürwik. Foto unten: Bronze-Ikone an der Tür der Kapelle: Heiliger Nikolaus. Künstler: Egino Günter Weinert.

Flensburg-Mürwik: Manchmal kommt es wie ein Segen, wenn die Dinge umgestaltet oder verändert werden. Manchmal wäre es besser, wenn die Dinge so blieben, wie sie sind. Im Fall der Nikolauskapelle der Marineschule Mürwik ist das Ergebnis der jahrelangen Umgestaltung ein Geschenk für alle. Heute ist die ökumenische Nikolauskapelle im Turm der Offizierausbildungsstätte der Deutschen Marine in Flensburg-Mürwik – würdigen und liebenswürdigen, ehrwürdigen und ganz offensichtlich maritimen Charakters. Und dies Dank vieler, die auf vielfältige Art und Weise dabei mitgeholfen haben: Militärdekane, Schulkommandeure, Künstler, Handwerker aller Couleur, Marinesoldaten und –Soldatinnen sowie Freunde und Unterstützer der Marineschule und ihrer Angehörigen. Und so luden der Katholische und Evangelische Leitende Militärdekan, Monsignore Rainer Schadt und Armin Wenzel, alle Beteiligten, am 10. November 2017, 11 Uhr, zum Dankgottesdienst in die Kapelle ein. Unter den Anwesenden waren auch der evangelische und katholische Militärdekan, Ernst Raunig und Dr. Dr. Michael Gmelch.

Das Grußwort hielt der Kommandeur der Marineschule Mürwik, Flottillenadmiral Kay-Achim Schönbach, an die geladenen Gäste, die sich zunächst vor dem Eingang der Nikolauskapelle trafen: darunter auch, der Kommandant des deutschen Segelschulschiffes GORCH FOCK, Kapitän zur See Nils Brandt, Vertreter des Freundeskreises der Marineschule, der Marine-Offizier-Vereinigung, der Carl Rudolph Bromme-Gesellschaft sowie der REUNION Marine. Flottillenadmiral Kay-Achim Schönbach betonte, dass die Umgestaltung ein Werk von vielen sei. Er freue sich, dass die Kapelle als Andachtsraum für Marineangehörige und zivil Angestellte der Marineschule Mürwik regelmäßig genutzt würde, bedankte sich bei allen Beteiligten für ihre Unterstützung und sagte: „Die Kapelle hat ihren Platz hier in der Marineschule gefunden. Und so wünsche ich mir als Kommandeur für alle, die sie nutzen, gute Begegnungen, ob allein oder untereinander.“

Die Bronze-Ikone an der Tür der Andachtskapelle, in der ebenso Taufen und Gedenkgottesdienste für verstorbene Soldaten stattfinden, weist auf ihren Namensgeber: den Heiligen Nikolaus, Schutzheiliger der Seefahrer und Binnenschiffer. Das künstlerisch gestaltete Relief schuf der Goldschmied, Bildhauer und Maler Egino Günter Weinert (1920 -2012), der mehr als 1.200 Heiligendarstellungen in Bronze, Tabernakel, Taufbecken, Skulpturen, Kelche, Email-Bilder, Kreuze bis hin zu vollständigen Kirchenausstattungen ausführte.

Der evangelische Militärdekan, Ernst Raunig, sprechend von der GORCH-FOCK-Kompass-Kanzel sowie am Kofferharmonium, als musikalischer Begleiter des Dankgottesdienstes.

Zunächst begrüßte der Katholische Leitende Militärdekan, Monsignore Rainer Schadt, dann in der Kapelle, die Gäste. Das Tagesgebet sprach der Evangelische Leitende Militärdekan, Armin Wenzel. Mit seiner sonoren Stimme hielt Wenzel darauf die Lesung aus dem ersten Kapitel des Evangeliums nach Johannes. Pfarrer Ernst Raunig, der den Dankgottesdienst ebenso auf einem Kofferharmonium begleitete, sagte in seiner Ansprache: Die Nikolauskapelle predige für sich selbst. Sie sei ein Rückzugsort, Besinnungsraum und ein Kraftfeld. Er spannte den Bogen vom Heiligen Nikolaus in die Kapelle und ging dann auf den Psalm 23 in der Seemannsfassung ein. Es folgten erneut sich abwechselnde Worte der Leitenden Militärdekane, Monsignore Schadt und Wenzel.

Die Einladenden des Dankgottesdienstes in der Nikolauskapelle der Marineschule Mürwik: Der Evangelische und Katholische Leitende Militärdekan, Armin Wenzel und Monsignore Rainer Schadt. F: May-Barg.

Wasser ist bekannt als Element der Taufe. Und so war auch die Taufe der umgestalteten Nikolauskapelle – ohne Wasser – als Taufelement nicht denkbar. Die Aussprengung des Weihwassers erfolgte sodann durch Monsignore Schadt. Es war ihm, wie er sagte, eine große Freude, neben der Kapelle, auch alle Anwesenden mit Weihwasser besprühen zu dürfen.

In der Nikolauskapelle scheint der maritim-affine Betrachter unweigerlich auf vieles gleichzeitig schauen zu müssen. So ist die neue Kompass-Kanzel, symbolisch gesehen, das größte Goldnugget für Marineangehörige in der Kapelle. Sie ist eine der zwei original Kompasse vom Oberdeck der GORCH FOCK, jenem Segelschulschiff, das der Marineschule unterstellt ist und auf dem jeder Offizieranwärter und jede Offizieranwärterin auf See ausgebildet wird und bei Wind und Wetter Seemannschaft übt. So ist diese Kompass-Kanzel maritime, gelebte Erinnerungskultur.

Der neue Altar wurde gänzlich in der eigenen Bootswerft der Marineschule, in Form eines Rumpfquerschnittes eines Schiffes, von Soldaten und zivil Angestellten gezimmert. Der Entwurf stammt von Oberstabsbootsmann a.D. Karl Anton Hansen. Der Bootsrumpf im Querschnitt (er ist aus Mahagoniholz), der die Decks und eine Abteilungswand erkennen lässt, setzt sich symbolisch im Kapellenraum fort und nimmt die Gemeinde auf in die Tischgemeinschaft am Altar, so Pfarrer Raunig.

Das Messing-Kreuz auf dem Altar wurde auf einer Ausbildungsfahrt der GORCH FOCK gedreht. 17 kg soll es wiegen. Die Militärdekane würden es trotzdem gern die Treppen hoch und wieder runter auf die Admiralwiese der Schule zu Gottesdiensten tragen, auch wenn es kein Leichtgewicht sei, so hieß es beim Dankgottesdienst. Im Tabernakel, rechter Hand des Altars, werden die Abendmahls-Hostien als das Allerheiligste aufbewahrt. Geschaffen wurde die Dreifaltigkeits-Ikone im Kloster Nütschau, dem nördlichsten Benediktinerkloster Deutschlands. Das Tabernakel ist ein Geschenk der Crewmitglieder der 52. InfoDVag der Marine. Die Trinität symbolisiert in der christlichen Theologie die Wesenseinheit Gottes in drei Personen.

Detail der neuen Fenster der Nikolauskapelle der Marineschule Mürwik: Die Taube spielt in der biblischen Sintflut-Erzählung die Rolle des frohen Botschafters. Eine von Noah ausgelassene Taube kehrt mit einem frischen Olivenzweig im Schnabel zur Arche zurück. Noah erkannte daran, dass das Wasser zurückging. Gott hatte folglich wieder Frieden mit den Menschen geschlossen. So wurde die weiße Taube, mit dem Ölzweig im Schnabel, zum Zeichen des Friedens.

Eindrucks- und bedeutungsvoll für die Kapelle sind die drei neuen Bleiprofil-Fenster in ihren historischen Fenster-Rahmungen. Zu sehen ist eine Szene mit der Arche Noah aus der biblischen Sintflutgeschichte, die verschiedene Deutungen der Sintflutsage, auch aus anderen Kulturkreisen, offen lässt. Das Wasser symbolisiert Leben, der Fisch das Christentum. Die Ausführung stammt von Dr. Heinrich Oidtmann, aus Linnich, der ältesten Glasmalerei Deutschlands, gegründet 1857. In der 5. Generation geführt, ebenso den Titel Päpstlicher Hofglasmaler führend, stammen auch die Fenster der Kapelle der Päpstlichen Schweizer Garde im Vatikan aus dieser Werkstatt, die zahlreiche Kirchen- und auch Domfenster ausführt(e). Entworfen und vor Ort in der Linnicher Glasmalerei-Werkstatt gestaltet, hat die Fenster-Dreiergruppe Joachim Kaiser aus Leipzig, Vorsitzender der Carl Rudolph Bromme-Gesellschaft Leipzig e.V. sowie Mitglied des Freundeskreises der Marineschule Mürwik. Die verbleiten Gläser sind aus mundgeblasenem Echt-Antik-Opakglas und wurden, mit einer Schwarzlotmalerei versehen bei 630° in einem Ofen eingebrannt.

Die Stühle der Kapelle sind originalgetreue Nachbauten historischer Stuhlmodelle, die im Gründungsjahr der Marineschule Mürwik, 1910, damals an die Alte Nikolaischule in Leipzig geliefert wurden. Gestiftet wurden die 30 Stühle von den Mitgliedern des Freundeskreises der Marineschule und den Mitgliedern der REUNION Marine. Auch die Jugendstil-Tapete scheint aus der Zeit der Schulgründung. Ist sie jedoch nicht. Die Holzverkleidung der Heizung stammt aus einer Abrissvilla in Luxemburg – ein Geschenk von Stabsbootsmann Andreas Himmes, in treuer Verbundenheit zur Marineschule, wie er sagt.

Das große Wandgemälde an der Nordseite des Andachtsraumes ist eine Leihgabe des Föhrde-Clubs zu Kiel e.V. Das Seestück „Gefunden!“, das die nahende Rettung eines ertrinkenden Seemannes zeigt, stammt vom berühmten Marinemaler Carl Saltzmann (1847 -1923), der 1894 die erste eingerichtete Klasse für Marinemalerei an der Berliner Kunstakademie übernahm.

Saltzmann unterrichtete Prinz Heinrich von Preußen und seinen Bruder Wilhelm in Malerei und Zeichnen. Später soll er Kaiser Wilhelm II., den Gründer der Marineschule, auf 22 seiner 26 Nordlandfahrten begleitet haben.

Die Nikolauskapelle wurde im Jahr 2004 an ihrer heutigen Stelle etabliert, zunächst in einem modernen Stil eingerichtet und auf Initiative des damaligen Kommandeurs der Marineschule, Konteradmiral Carsten Stawitzki, seit 2015, in enger Zusammenarbeit mit der Militärseelsorge, umgestaltet. Heute, Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr, war auch er zu Gast. Ursprünglich plante die Kaiserliche Marine auf dem Gelände der Marineschule sogar eine Garnisonskirche. Die Pläne wurden jedoch nicht realisiert, denn für die Umsetzung der Tirpitzschen Flottengesetze brauchte man damals erhebliche finanzielle Mittel. So wurde zunächst die Aula der Marineschule als Andachts- und Kirchenraum genutzt…

Das Segelschulschiff der Deutschen Marine und ihr Namensgeber, Gorch Fock, sind auch in der Nikolauskapelle der Marineschule allgültig.

An der südlichen Wand der Nikolauskapelle befindet sich ein Aquarell des Segelschulschiffes GORCH FOCK. Gemalt hat es der 1926 in New York geborenen Maler und Illustrator James E. Mitchell, der dort an der Pratt Institute Art School in Brooklyn sowie an der Académie de la Grande Chaumière in Paris studierte. Über dem Aquarell steht ein Spruch von Johann Wilhelm Kinau, alias Gorch Fock, den Namensgeber deutscher Segelschulschiffe:

Gottes sind Wogen und Wind. Segel aber und Steuer, dass ihr den Hafen gewinnt, sind euer.“

Der Schriftsteller stammte aus Finkenwerder bei Hamburg. Er kam, erst 36 Jahre alt, im Ersten Weltkrieg, während der Skagerrak-Schlacht beim Untergang des Kleinen Kreuzers SMS WIESBADEN ums Leben.

Neben dem Eingang der Kapelle hängt eine gerahmte Gedenktafel. Sie trägt die Namen der Marinesoldatinnen und –soldaten, die nach Gründung der Bundeswehr, 1956, ihr Leben lassen mussten. Darunter steht das Taufbecken, das das ewige Leben symbolisiert.

Text/ Fotos: May-Barg