Weltgeschichtlicher Meilenstein – Nationale Gedenkfeier Großbritanniens zum 100. Jahrestag der Skagerrak-Schlacht

Deutschland mit Staatsoberhaupt und Marine zu Gast in Schottland

Auf den Orkney-Inseln im Nordosten Schottlands gedachten Großbritannien und die Royal Navy am 31. Mai 2016 der Gefallenen der Skagerrak-Schlacht vor 100 Jahren, jener Seeschlacht des Ersten Weltkrieges zwischen der Kaiserlichen Marine und der Royal Navy im Seegebiet der jütländischen Nordküste Dänemarks. Gemessen an der Anzahl der beteiligten Schiffe, 250,  war die Battle of Jutland, wie sie in Großbritannien heißt, die größte Seeschlacht aller Zeiten

1 Scap Fow. Foto J. May
Schottland, Orkney-Inseln, Bucht von Scapa Flow, südöstlicher Teil.

Gemessen an der Anzahl der beteiligten Schiffe, 250,  war sie die größte Seeschlacht aller Zeiten. Als Gäste zur nationalen Gedenkfeier der Briten, die in der St. Magnus Kathedrale in Kirkwall und auf der Insel Hoy auf dem dortigen Marine-Friedhof, dem Lyness Royal Naval Cemetery, stattfand, waren der Bundespräsident Deutschlands und der Inspekteur der Deutschen Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, eingeladen.

„Zur Ehre und zum Gedenken derer, die im Krieg gedient und unter dessen Einwirkungen gelitten haben“, organisierte die Regierung des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland „ein nationales Hundertjahrfeier-Programm mit zeremoniellen, kulturellen und bildungsbezogenen Veranstaltungen“, wie in ihrer 66 Seiten umfassenden Informationsbroschüre dazu steht.

Die Gastgeber waren David Cameron, Premierminister des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, Nicola Sturgeon, die Erste Ministerin Schottlands, der britische Counterpart von Vizeadmiral Krause, der First Seelord Admiral Sir Philipp Jones und  Prinzessin Anne, die ihren Vater Prinz Philipp vertrat, der als Lord High Admiral formell den Oberbefehl über die britische Marine innehat. Darüber hinaus nahmen britische und deutsche Marinesoldaten, Politiker und Angehörige überlebender Seeleute der Schlacht sowie Inselbewohner der Orkneys  an der zentralen Gedenkzeremonie teil. Das britische Fernsehen brachte mehrere Stunden Live-Berichterstattung mit zahlreichen Interviews sowie dokumentarischen Einspielern. Prinz Philipp, so hörte man dort, sei „sehr enttäuscht und frustriert“ gewesen, dass er nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte.

Von deutscher Seite war auch die Fregatte SCHLESWIG HOLSTEIN mit ihrer Besatzung vor Ort in Schottland. Sie verlegte dazu unter dem Kommando von Fregattenkapitän Marc Metzger am Morgen des 27. Mai 2016 von ihrem Liegeplatz an der Graf-Spee-Brücke in Wilhelmshaven in die Bucht von Scapa Flow, in Sichtweite der englischen Fregatte HMS KENT und des Marine-Friedhofes der Insel Hoy.

Scapa Flow, Blick auf die Insel Hoy mit dem Marine-Friedhof Lyness und auf die HMS KENT. Foto J. May
Scapa Flow, Blick auf die Insel Hoy mit dem Marine-Friedhof Lyness und auf die HMS KENT.

So lagen die britische und deutsche Fregatte, 100 Jahre nach der Skagerrak-Schlacht, in Scapa Flow vor Anker, jene berühmte Bucht, in der die Royal Navy sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg den Hauptstützpunkt ihrer Flotte, der Grand Fleet, hatte. Jene Bucht, in die in beiden Weltkriegen deutsche U-Boote eindrangen, auf deren Grund noch immer zahlreiche Schiffswracks liegen und viele Seemänner ihre letzte Ruhe fanden, jene Bucht, in der die deutsche internierte Hochseeflotte sich am 21. Juni 1919 selbst versenkte. Und eben auch jene Bucht aus der die Grand Fleet am 30. Mai 1916 zur Schlacht am Skagerrak auslief, bei der sich die Kaiserliche Marine mit ihrer Hochseeflotte und die Royal Navy mit ihrer Grand Fleet als Konfliktparteien gegenüberstanden. Zwei Tage dauerte die erbitterte Schlacht, vom 31. Mai bis zum 1. Juni 1916, an deren Ende die Briten 6.094 Gefallene zu beklagen hatten, während auf deutscher Seite 2.551 Seeleute umgekommen waren. Sieger gab es keine.

Vor diesen geschichtlichen Hintergründen war die Einladung von Seiten der Briten an die Deutschen zu ihrer nationalen Jahrhundert-Gedenkfeier der Skagerrak-Schlacht von tiefem Symbolcharakter. Sie unterstreicht, dass die einstigen Feinde heute Verbündete und Freunde sind. So war die Bucht von Scapa Flow ein bewegender Ort, um den 100. Jahrestag des schweren Seegefechtes zu begehen, nicht zuletzt auch um der Opfer auf beiden Seiten während des Ersten Weltkrieges zu gedenken. Die Vorbereitungen auf britischer Seite dauerten dazu mehr als ein Jahr.

Die deutschen Marine-Soldaten, die mit der SCHLESWIG HOLSTEIN nach Schottland kamen und an den Gedenkfeierlichkeiten an Land teilnahmen, wurden von den Soldatinnen und Soldaten der Royal Navy vor Ort betreut und in das Zeremoniell eingewiesen. Sie wurden dazu am 29. Mai von der SCHLESWIG HOLSTEIN auf die HMS BULWARK ausgeschifft. Das 176 m lange Landungsschiff der Royal Navy  lag nördlich von Scapa Flow in Kirkwall und diente gleichzeitig als „Übernachtungsschiff“ für die ausgeschifften deutschen Marinesoldaten.

3 SCHLESWIG HOLSTEIN in Scapa Flow Vorüben Passieraufstellung
SCHLESWIG HOLSTEIN in Scapa Flow. Vorüben Passieraufstellung.

Die Zeremonien zur nationalen Gedenkfeier Großbritanniens, begleitet von den Marinemusikkorps HM Royal Marines und Marinemusikkorps Kiel, begannen vormittags am 31. Mai mit einem Gottesdienst in der St. Magnus Kathedrale in Kirkwall, dem Hauptort der größten Orkney-Insel Mainland. Der Gottesdienst wurde live von der BBC übertragen. So konnte die Besatzung der vor Anker liegenden SCHLESWIG HOLSTEIN ihre Kameraden im TV verfolgen, wie sie in der St. Magnus Kathedrale, abwechselnd mit ihren britischen Verbündeten, aus Tagebüchern von Überlebenden beider Nationen der Skagerrak-Schlacht lasen. Im Anschluss an den Gottesdienst legten Prinzessin Anne und Bundespräsident Joachim Gauck neben der Kathedrale am Mahnmal für die Gefallenen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges Kränze nieder.

David Cameron sagte über die Gedenkfeierlichkeiten: „Die strategische Bedeutung von Scapa Flow kann nicht überbetont werden, und es ist daher von tiefster Symbolik, dass wir die Gedenkfeier vor der anmutende Kulisse der wunderschönen Orkney-Inseln begehen dürfen. Die majestätische Ruhe der nördlichsten Kathedrale des Vereinigten Königreichs – St. Magnus in Kirkwall – (…) ist ein geeigneter Ort um unseren Tag der Besinnung zu eröffnen.“

Am frühen Nachmittag des 31. Mai passierten Gastgeber und Gäste von Kirkwall kommend mit mehreren kleinen Booten Scapa Flow, die vor Anker liegende SCHLESWIG HOLSTEIN und HMS KENT, um kurz darauf den Toten, die auf dem Marine-Friedhof Lyness ruhen, ihre Ehre zu erweisen. Darunter war auch eine Abordnung der Royal National Lifeboat Institution, der britischen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger. Auf dem Weg zur Insel Lyness wurde für die an der SCHLESWIG HOLSTEIN und der HMS KENT vorbeifahrenden Ehrengäste jeweils von Bord der Fregatten 21 Salutsalven abgefeuert.

HMS KENT schießt aus Kanonen am 31.06.2016 Salutsalven vor Lyness.

Dazu standen die Besatzungen beider Nationen in Passieraufstellung in erster Garnitur an Deck ihrer Schiffe.  Auf Lyness legten der Bundespräsident und der Inspekteur der Marine im deutschen Namen am Cross of Sacrifice erneut Kränze nieder. Die SCHLESWIG HOLSTEIN und die HMS KENT dienten als Hintergrund-Atmosphäre für die Trauerfeier auf dem Marine-Friedhof, auf dem auch deutsche Soldaten begraben liegen.

David Cameron sagte über den Friedhof: „Wir könnten nicht zum ehemaligen Hafen der Grand Fleet zurückkehren, ohne der Opfer, die auf dem von der britischen Kriegsgräberfürsorge betreuten Lyness Royal Naval Cemetery auf der Insel Hoy beigesetzt sind, unseren Respekt zu zollen.

Passieren der Fregatte SCHLESWIG HOLSTEIN in Scapa Flow, 31. Mai 2016. Der Bundespräsident und der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Krause, zuwinkend der Mannschaft an Deck der Fregatte.

Der den Naturhafen Scapa Flow überblickende Friedhof bietet einen würdevollen Rahmen des Nachklangs und lässt uns der Gefallenen auf beiden Seiten gedenken, darunter derer, die auf dem Meeresgrund zur ewigen Ruhe gebettet wurden. Eine besondere Ehrung erhalten diese Seeleute heute auch von der Royal Navy sowie der Deutschen Marine, welche sich an der Jütland Bank zum Gedenken an die Opfer treffen“.

Fast zeitgleich zur Gedenkfeier auf Lyness, 14.15 Uhr, fand – ebenso gemeinsam mit den Briten – in See vor Skagerrak, 57°02′ N, 006°07′ E, auf Höhe des in der Skagerrakschlacht gesunkenen britischen Schlachtkreuzers HMS INVINCIBLE mit Vizeadmiral Rainer Brinkmann, dem Stellvertreter des Inspekteurs der Marine und Befehlshaber der Flotte und Unterstützungskräfte, ein Gedenken statt. Teilnehmende Einheiten der Kranzniederlegung in See waren die HMS DUNCAN und die Fregatte BRANDENBURG. Die deutsche Fregatte verlegte im Anschluss daran aus den dänischen Gewässern ebenso nach Schottland.

Nachdem am 31. Mai die deutschen Marinesoldaten nach den feierlichen Veranstaltungen gegen 20 Uhr von den britischen Navy-Soldaten der HMS BULWALK wieder zurück an Bord der SCHLESWIG HOLSTEIN verschifft wurden, hieß es kurz darauf: „Anker auf!“

Ausbringen der Fender auf der SCHLESWIG HOLSTEIN. Soldaten der Royal Navy bringen die deutschen Marinesoldaten zurück auf ihre Fregatte. Foto J. May
Ausbringen der Fender auf der SCHLESWIG HOLSTEIN. Soldaten der Royal Navy bringen die deutschen Marinesoldaten zurück auf ihre Fregatte.

Eine Stunde später, 21.03 Uhr, verließ der schottische Lotse die SCHLESWIG HOLSTEIN und fuhr mit der JOHN RAE davon. Zwei Tage später, 13.10 Uhr, passierte die SCHLESWIG HOLSTEIN die Molenköpfe des Marinestützpunktes Wilhelmshaven. 14.51 Uhr machte der spanische Austauschoffizier an Bord Kapitän Metzger Meldung. Die SCHLESWIG HOLSTEIN war nach 1.128 zurückgelegten Seemeilen wieder in ihrem Heimathafen.

Alle Gedenkveranstaltungen in Großbritannien „100 Jahre Skagerrak“ wurden durch das britische Ministerium für Kultur, Medien und Sport organisiert, das dabei vielerlei Unterstützung hatte, so von der Downing Street Number 10, dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten und des Commonwealth, dem Verteidigungsministerium, dem Bildungsministerium, dem Ministerium für Gemeinden und kommunale Verwaltung und anderen Projektbeteiligten.  In enger  Zusammenarbeit mit seinen Hauptförderungspartnern, dem Imperial War Museen, der Commonwealth War Graves Commission, der Arts Council England, der English Heritage und dem Heritage Lottery Fund, entwickelte das Ministerium die Pläne für die zahlreichen Gedenkzeremonien. Es wollte damit „den weltgeschichtlichen Meilenstein entsprechend honorieren“, hieß es.

Jedenfalls haben die Marinesoldaten der HMS KENT auf ihrem Flugdeck in Sapa Flow so Aufstellung genommen, dass man aus der Vogelperspektive eine 100 erkennen konnte. Dazu schickte die Royal Navy einen Helikopter in die Luft, um das gewünschte Erinnerungsfoto Gedenken 100 Jahre Skagerrak-Schlacht, zusammen mit der SCHLESWIG HOLSTEIN neben ihr, zu bekommen.

Text und Fotos: Jenny May

PS: Die REUNION Marine dankt der Deutschen Marine, insbesondere der Besatzung der SCHLESWIG HOLSTEIN unter Kommandant Metzger, für die Möglichkeit der Mitfahrt eines Mitgliedes auf der SCHLESWIG HOLSTEIN zu den nationalen britischen Gedenkfeierlichkeiten „100. Jahre Skagerrak“ nach Scapa Flow.

 

Internationales Gedenken 100 Jahre Skagerrak-Schlacht

Des Weiteren gedachte man der Skagerrak-Schlacht in Portsmouth, Plymouth, Chatham, Belfast, in Stensholmen, Schweden, dort am 01. 06. am Grab von Gorch Fock (er war einer der Gefallenen der Skagerrak-Schlacht und ist Namensgeber des deutschen Segelschulschiffes) mit einer Abordnung der GORCH FOCK unter Kommandant Nils Brandt. In Dänemark eröffnete man am selben Tag in Thyboron das Thyboron Memorial, ein Erinnerungspark an die Skagerrak-Schlacht. Auch in Deutschland wurde der Skagerrak-Schlacht gedacht. So fanden Gedenkveranstaltungen am Marine-Ehrenmahl in Laboe, Kiel, in Wilhelmshaven, in der Christus- und Garnisonskirche, auf dem Ehrenfriedhof, im Deutschen Marinemuseum (zur Eröffnung der Sonderausstellung „Skagerrak. Seeschlacht ohne Sieger – Jutland. The Unfinished Battle“) und im Rahmen der Lehrgangsabschlussveranstaltung an der Marineschule Mürwik (MSM) in Flensburg statt. Das Besondere: zum ersten Mal in der Geschichte der MSM überreichte ein Kommandeur des Britannia Royal Naval College (BRNC) in der Aula der Marineschule Mürwik die Offizierbriefe. So übergaben Vizeadmiral Brinkmann, der Kommandeur der MSM, Flottillenadmiral Carsten Stawitzki, BRNC-Kommandeur Captain Duffy und Nicholas Jellicoe gemeinsam in der Aula der Marineschule die versiegelten Offizierbriefe an die Kadetten der Crew VII/2015. Jellicoe ist der Enkel von Admiral John Jellicoe, dem Kommandeur der Grand Fleet von 1916.