Liebe Leserinnen und Leser unserer Homepage der REUNION-Marine,
anbei lesen Sie einen Artikel des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr, Flottillenadmiral Carsten Stawitzki, zur Umgestaltung der Aula der Marineschule Mürwik.
FAdm Stawitzki war dort an der Alma Mater der deutschen Marineoffiziere bis zum 31. August 2016 Kommandeur.
Aus diesem Artikel wurde während der Mitgliederversammlung der REUNION Marine im September 2016 durch den Leiter der Geschäftsstelle (siehe Artikel zur Mitgliederversammlung) auszugsweise vorgetragen.
Unsere Aula – ein „Denk mal“ und nicht nur ein Denkmal.
Auf der Historisch-Taktischen-Tagung 2015 beauftragte mich der Inspekteur der Marine mit der Erarbeitung eines Konzeptentwurfs für die Weiterentwicklung unserer Aula an der Marineschule Mürwik. Zeitgleich warb er für eine breit angelegte Diskussion und rief durch seinen Namensartikel im Marineforum 04/2015 noch einmal ausdrücklich zur Beteiligung auf. Seine Motivation und die wesentlichen Gedanken, die ihn bewegten und immer noch bewegen, stehen für sich.
Es liegt ihm erkennbar am Herzen, Sie alle auch weiterhin mitzunehmen und dieses Projekt, unser aller Projekt, voranzutreiben und für Ihre Unterstützung zu werben. Denn die Aula steht – wie kein anderer Raum in der Marine – in unserer „alma mater“, der Marineschule Mürwik, seit 1910 symbolisch für das Selbstverständnis des Marineoffizierkorps – und damit für jeden von uns.
Insofern haben Sie alle, nicht nur die, die sich aktiv in die Diskussion entweder mit Wort- oder Schriftbeiträgen eingebracht haben, Anspruch darauf zu erfahren, wie die Diskussion in den zurückliegenden Monaten gelaufen ist. Und natürlich sollen Sie erfahren, wie es jetzt, nach der Entscheidung des Inspekteurs zu den wesentlichen Eckpunkten für eine Umgestaltung der Aula, konkret in der Umsetzung weitergehen soll.
Die Diskussion wurde im Wesentlichen von Februar bis Juli 2015 mit Hilfe von zwei sich ergänzenden Ansätzen geführt.
Einerseits wurde auf der Grundlage konkreter Vorschläge diskutiert, die hierzu von einem kleinen Team in einem ersten Ansatz erarbeitet und jeweils im Vortrag in zahlreichen Runden und unterschiedlichsten Formaten vorgestellt wurden.
Andererseits wollte der Inspekteur der Marine über das Marineforum mit seinem Namensartikel, in dem er die Veränderungen der Aula durch unsere Vorgänger beschrieb, die Diskussion ohne konkrete – möglicherweise als präjudizierend empfundene – eigene Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Aula quasi auf einem „weißen Blatt Papier“ führen. Hierzu diente der seit März 2015 dafür eingerichtete OrgBriefkasten (MSMAula@bundeswehr.org).
Der Beginn der Auswertung erfolgte vier Wochen nach der Mitgliederversammlung der MOV im Mai 2015, um auch hier ausreichend Zeit für mögliche Zuschriften zu geben.
An der Diskussion beteiligten sich aktive und nicht-aktive Angehörige der Marine fast aller Dienstgradgruppen vom Matrosen bis zum Vizeadmiral und eines breiten Altersbandes (Crew VII/43 bis Crew X/2014), sowie Truppenoffiziere und Offiziere des Militärfachlichen Dienstes aller Verwendungsbereiche und Waffensysteme der Marine ggf. einschl. Vorverwendungen in der NVA. Aber auch externe Stimmen wurden gehört. Die eingegangenen Beiträge spiegeln in ihrer Bandbreite das Marineoffizierkorps. Viele gute Ideen wurden auf diese Weise entwickelt. Wichtig war auch einfach die signalisierte Zustimmung für einen bereits angedachten, möglichen Weg.
Auf der Grundlage der Auswertung aller eingegangenen Diskussionsbeiträge, die wir im WGAZ archiviert haben, wurden drei mögliche Alternativen für eine Umgestaltung der Aula entwickelt, die der Inspekteur im November 2015 in einem Beratungsgremium intensiv erörterte. Dies stellte die Grundlage für seine Entscheidung zu den wesentlichen Eckpunkten für eine Umgestaltung dar, die er auf der HiTaTa 2016 bekannt gab:
1. Alle Diskussionsbeiträge ließen erkennen, dass eine Fortschreibung unserer Geschichte notwendig und geboten ist. Diese Geschichte auszusperren und lediglich außerhalb der Aula zu erzählen ist keine Option. Um die Aula nicht zu überfrachten, ist aber weniger mehr.
2. Symbolischer Kern der Umgestaltung ist das Umdrehen der Bestuhlung um 180 Grad: Damit wollen wir dem Ersten Weltkrieg und den in Holz gemeißelten Kampfansagen des Revanchismus („exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor“) im 100. Jahr der Seeschlacht im Skagerrak symbolisch den Rücken kehren.
3. Konsens erzielte die behutsame Umgestaltung unter Wahrung des Gesamtcharakters bei gleichzeitiger Umsetzung eines didaktischen Gesamtkonzepts, in dem sich die Aula – den Raum betretend – künftig nun gegen den Uhrzeigersinn chronologisch erschließen wird.
4. Hierzu verbleiben in der Aula die Büsten von Admiral Bromme (genannt Brommy – erster Flottenchef unter Schwarz-Rot-Gold) und Admiral von Stosch (erster Chef der Admiralität 1871) an der Fensterfront. Die Büsten von Prinz Adalbert (mit Gemälde in der O-Messe und mit Statue im Bootshafen ausreichend an der Schule repräsentiert), Admiral von Koester (erster Großadmiral der kaiserlichen Hochseeflotte) und Admiral Scheer werden in die Ausstellung im WGAZ integriert. Diejenigen von Admiral Hipper und Graf Spee wiederum werden einen angemessenen Platz vor den jeweiligen Unterkunftsräumen im Haupthaus der MSM als Namensgeber der ersten Schulschiffe der Bundesmarine finden.
5. Die heutige Frontseite (künftig Rückseite) der Aula bleibt mit den hölzernen Tafeln des „Seeoffizier-Ehrenmals“ und dem Gedenken u.a. an die Gefallenen von Coronel, Falkland, Doggerbank und Skagerrak unverändert. Ebenso verbleibt das Gemälde der Schulfregatte Gneisenau als Sinnbild unserer maritimen Profession und einzig erhaltenem, immer noch ausgestelltem Exponat seit Indienststellung der MSM durch den Kaiser (siehe Bild) an seinem Platz. Die Flagge unserer Seestreitkräfte wird wieder an der neuen Frontseite ihren gebührenden Platz finden.
6. An der Seite des Eingangsbereichs der Aula soll an die Stelle des Schlachtschiffes Bismarck ein neues Gemälde treten, das die Einbindung unserer Marine in ein westliches Bündnis- und Wertesystem seit ihrem Wiederaufbau 1956 unterstreicht. Zwei neue Büsten sollen links und rechts des Eingangs aufgestellt werden. Mit Korvettenkapitän Kranzfelder sowie den Admiralen Johannesson und Wellershoff gelingt ein logischer zeitlicher Dreiklang mit starker Aussagekraft. Besonders die personifizierte Würdigung des Widerstandes als Gegenpol zum sonstigen Marineoffizierkorps der Kriegsmarine – zukünftig dann rechts neben der Eingangstür beim Gemälde des Ubootes der Klasse IX B von Claus Bergen – fand breite Zustimmung. In der Person von Admiral Johannesson schließt sich der Kreis von der Kaiserlichen Marine über die Reichs- und Kriegsmarine bis zur Gründung der Bundesmarine. Zugleich spiegelt sich in ihm die Herausforderung wider, als Mensch und Führungskraft in vier verschiedenen Marinen unter vier verschiedenen politischen Systemen mit all‘ den hieraus resultierenden Herausforderungen bestehen zu müssen. Ergänzt um Admiral Wellershoff werden damit drei bisher fehlende Aspekte, nämlich „Widerstand“, „Entstehung der Bundesmarine“ und „Vom Kalten Krieg zur Wiedervereinigung“, angesprochen.
7. Der Rundblick durch die Aula endet an der neuen Frontseite. In Absprache mit der Denkmalschutzbehörde werden die hölzernen Tafeln mit den Toten der Zwischenkriegszeit und mit dem darunter befindlichen Sims mit den Verlustzahlen entfernt. Im Gang oberhalb des Säulenganges, auf den man von der Aula kommend unmittelbar zuläuft, sollen sie – ergänzt mit großformatigen Bildern, wie sich die Aula im Laufe der Jahrzehnte verändert hat, sowie einer Erklärung – einen neuen Platz finden. Auf weitere historische Fahnen wird im Sinne des „weniger ist mehr“ verzichtet. Der wichtigste Bezugspunkt unserer Marine sind die Farben der Flagge der Seestreitkräfte, Schwarz-Rot-Gold. Damit schließen wir auch greifbar den Kreis zu den demokratischen Gründervätern der Marine 1848 und ihrem wichtigsten Repräsentanten, Admiral Brommy. Den neuen Abschluss der Wandpaneele im zentralen Bereich der Frontseite sollen die ersten Worte der 3. Strophe unserer Nationalhymne in maritim-messingfarbenen Lettern zieren: „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Sie bilden für uns alle den zentralen Mittelpunkt und unterstreichen das Verbindende, das wir leben wollen, und nicht das Trennende. Damit setzen wir einen Kontrapunkt zu den Aussagen der hölzernen Tafeln des Seeoffizier-Ehrenmals von 1923. Aus den Reihen unserer jungen Kameraden wurde der Wunsch geäußert, die künftige Frontseite mit einem Gemälde zu zieren, dass sich bewusst in der Perspektive von den bisherigen „Außenaufnahmen“ unterscheiden soll und Kameradschaft und Teamgeist als zentrale Elemente unserer Identität als Marineoffiziere in den Mittelpunkt stellt. Der Vorschlag ist deshalb, ein Gemälde mit an Oberdeck der Gorch Fock im Segelmanöver arbeitenden Offizieranwärtern – im Hintergrund eine Darstellung von grauen Einheiten der Flotte, bspw. des EAV-Verbandes, erstellen zu lassen.
8. Polarisiert hat die Diskussion das Thema unseres Totengedenkens. Dabei ging es aber nicht um das „ob“, sondern lediglich um das „wie“. Hier hat der Inspekteur sich der Mehrheit angeschlossen, die Aula durch ein solches Gedenken nicht dominieren zu lassen.
In der so neu gestalteten Aula spiegeln sich Kontinuität und Diskontinuität unseres Selbstverständnisses in einem Gesamtkonzept aus ausgewählten Einzelexponaten in chronologischer Reihenfolge wider und 60 Jahre Deutsche Marine erschöpfen sich nicht länger in unserer Bundesdienstflagge mit den Farben Schwarz-Rot-Gold.
Damit rücken wir auch unser Werte-Selbstverständnis und die Wurzeln unserer Tradition in den Mittelpunkt der Aula: die preußischen Reformer, den Widerstand im Nationalsozialismus sowie unsere eigene Tradition, die der Bundeswehr. Unser berufliches Selbstverständnis spiegelt sich in der ganzen Bandbreite unserer maritimen Profession wider, dem Seekrieg in allen Dimensionen; im Kampf auf dem Wasser, unter Wasser, dem Seekrieg aus der Luft und von See ans Land. Zu diesem Selbstverständnis gehört auch das Gedenken an unsere Kameradinnen und Kameraden, die wir aus unseren Reihen verloren haben.
Der vorliegende Artikel kann diese Diskussion nur in wesentlichen entscheidungsbestimmenden Auszügen wiedergeben. Es bleibt die Frage: Wie soll es in den kommenden Monaten weitergehen?
Zunächst wird die Aula bis zur Lehrgangsabschlussveranstaltung der aktuellen Crew VII/2015 am 27. Mai unverändert bleiben. An diesem Tag wollen wir gemeinsam mit britischen Kameraden an die Skagerrak-Schlacht vor dann fast auf den Tag vor 100 Jahren erinnern und der Toten auf beiden Seiten gedenken. Dazu habe ich den Kommandeur des Britannia Royal Naval College mit einer Fahnenabordnung eingeladen, so dass in der Aula ein letztes Mal im heutigen Erscheinungsbild und in ihrer Aussagekraft deutsche Offizieranwärter vom Kommandeur des BRNC ihre Offizierpatente ausgehändigt bekommen, während die deutsche und die britische Flagge Seite an Seite das symbolisieren werden, was wir heute sind: Alliierte und Freunde.
Anschließend soll es dann mit den infrastrukturellen Maßnahmen losgehen, insbesondere auch mit der Sanierung der Feuchtigkeitsschäden an der Fensterseite.
Abhängig vom Spendenaufkommen kann die Umsetzung der Exponate erfolgen. Beginnen wollen wir mit der Büste von Korvettenkapitän Alfred Kranzfelder, für deren Gestaltung wir bereits einen Künstler begeistern konnten. Damit wird am 20. Juli dieses Jahres ggf. ein weiterer Schritt des Aufbruchs möglich sein. Für die Gemälde und das Totengedenken beabsichtigen wir einen Ideenwettbewerb.
Allerdings geht es nur dann weiter, wenn wir alle dieses Projekt für uns, vor allem aber für unseren künftigen Führungsnachwuchs, gemeinsam stemmen. Dazu ist beim Freundeskreis der Marineschule Mürwik ein Konto eingerichtet worden:
Empfänger: Freundeskreis MSM – Aula
Geldinstitut: Nord-Ostsee Sparkasse
IBAN: DE39 2175 0000 0300 2979 39
Swift-BIC: NOLADE21NOS Verwendungszweck: Name, Vorname, PLZ, Wohnort, Straße, Hausnummer
Jeder Spender erhält auf Wunsch eine Spendenbescheinigung und ab einem Betrag von 75,- Euro und mehr, Offizieranwärter ab einem Betrag von 50,- Euro, den hier abgebildeten, hochwertig hergestellten Coin in einer Samtschatulle zur Erinnerung.
Eine Seite symbolisiert mit „Einigkeit und Recht und Freiheit“, dem Wappen und dem Schriftzug Marineschule Mürwik die neue Kernaussage unserer Aula, so wie die neu gestaltete Frontseite. Die andere Seite erinnert mit der halb geöffneten Tür der Aula an unseren Aufbruch zur Umgestaltung, ergänzt durch die Seriennummer des Coins.
Unabhängig davon soll nach Abschluss der Umgestaltung ein kleiner Band zur Aula erscheinen, der für unsere Nachkommen die Diskussion um die Aula im Wandel der Jahrzehnte in Wort und Bild festhält. In diesem sollen auch alle namentlich erwähnt werden, die sich an der Umgestaltung finanziell beteiligt haben.
Abschließend möchte ich mich bei allen bedanken, die sich in die Diskussion eingebracht haben. Besonders der offene Umgang miteinander wurde von externen Beobachtern mit tiefem Respekt und Anerkennung verfolgt.
Carsten Stawitzki